Hexenlinde bei Klings


Hexenlinde bei Klings


Hexenlinde bei Klings

Paul Holfeld von der Dorfkapelle
hatte in Tirmbach* aufgespielt.
Nachdem er für die Aushilfsrolle
als Entgelt drei Kreuzer erhielt,
hat er sich auf den Weg begeben
über die Kuppenrhön* nach Tann*,
würd‘ er raschen Schrittes streben,
käm er schon bald zu Hause an.

Rasch lief er den Weg am Bach entlang
über Empenfrideshusen*
könnte schon bald die Hütten am Hang
mit einem Jodler begrüßen.
Rechtsseitig sah er den Horbelberg*
bis hoch an den Himmel ragen,
doch richtete er sein Augenmerk
wohin die Füße ihn tragen.

Er summte ein Liedchen vor sich hin,
kannte sich plötzlich nicht recht aus,
den Weg hatte er anders im Sinn,
dennoch schritt er weiter voraus.
Da sah er von weitem einen Mann,
gekleidet wie ein hoher Herr,
zwecks Wegesauskunft sprach er ihn an
und erhielt von ihm auch Gehör.

Gemeinsam schritten sie nun bergan
bis hin zur uralten Linde,
unter den Zweigen erklang Gesang
von Männern in trauter Runde.
Zum Musikus trat einer heran,
reichte ihm ein Blasinstrument,
er möge spielen und gab mit an,
dafür sei es ihm dann geschenkt.

Paul Holfeld nahm es mit Freude an,
ließ Melodien erklingen
und sogleich die Männerschar begann,
fröhliche Lieder zu singen.
So ging es einige Stunden zu,
dann wurd‘ er mit Talern bedacht,
zu Haus in Klings* fand er endlich Ruh‘
und träumte ganz wirr in der Nacht.

Am Morgen sah er das Instrument
und war sogleich sehr amüsiert,
man hatte ihn wohl als Musikant
an der Nase herum geführt,
statt einer feinen Klarinette
wars‘s ein Lindenast was da stand,
und als ob er es geahnt hätte,
das Geld war zu Kohle verbrannt.

Der Musikus hat all das bedacht
und ist rasch darauf gekommen,
es haben ihn zur Walpurgisnacht
Hexen auf den Arm genommen.
Das ganze Geschehen war kein Traum,
er hat es schmunzelnd erkannt,
doch seither wird der uralte Baum
nur noch Hexenlinde genannt.


© Syrdal 2024


Klingser Linde - Tanz.jpg



Erklärungen:
*Tirmbach = mittelalterlicher Name des heutigen Ortes Dermbach/Rhön im Feldatal
*Kuppenrhön = idyllische Region mit malerischen Ortschaften und großartigen Panoramen von den vulkanischen Kegelbergen des Rhöngebirges
*Tann = im Biosphärenresevat und Naturpark Rhön gelegenes historische Städtchen im Ulstertal
*Empenfrideshusena = mittelalterlicher Name des heutigen Ortes Empfertshausen/Rhön
*Horbelberg = holzreiche Basaltkuppe nahe Empfertshausen
*Klings = kleines hübsches Dorf im südlichen Teil der thüringischen Vorderrön


 


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Kommentare (4)

indeed

Lieber Syrdal,

eine schöne Legende präsentierst du uns hier. Ich mag Legenden. Böse Hexen ausgenommen, aber wie wir wissen, waren es keine Hexen, damals in den berüchtigten Jahren. Die sie damals zu Hexen abstempelten, um sich selber einen Vorteil zu verschaffen, die waren Böse.

Das hat alles nun mit der obigen Legende nichts zu tun. Es ist immer wieder interessant, wie Namensgebungen entstanden sind. Für mich bleibt die Linde ein imposanter Baum und letztlich
spendet er uns den Lindenblütentee mit seiner gut tuenden Wirkung und die Bienen sorgen für den Lindenblütenhonig.

Verzeih, ich bin vom Wege abgekommen, es fiel mir nur grad so alles ein. Dennoch bin ich gern hier gewesen und habe gerne gelesen.

Einen schönen Wonnemonat Mai wünsche ich dir und sei herzlich gegrüßt von
Ingrid

Syrdal

@indeed

Liebe Ingrid,
bei solch alten „Hexengeschichten“ kann man rasch „vom Weg abkommen“, ranken sich doch um Hexen tausende oft schreckliche Geschichten und auch Schicksale. Grausames wurde den Menschen angetan, die man als „Hexe“ bezichtigte und das bis ins späte Mittelalter hinein. Aber ist das heute besser? Nein, die Foltermethoden sind heute anders, aber mindestens so grausam wie in früheren Zeiten.

Umso mehr ist es schön, auch einmal andere „Hexengeschichten“ zu hören und zu lesen, die nichts Böses im Sinn haben und „nur“ einen geprellten Musikus hinterlassen, der sicher froh war, einer bösen Hexerei glimpflich entkommen zu sein.

Was nun die Linde betrifft, ist mit diesem ehrwürdigen Baum eine reichhaltige Symbolik verbunden. Sie gilt nicht nur als „Baum der Liebe“, sie schützt auch vor bösen Geistern und Dämonen und war lange Zeit in vielen Dörfern und Gemeinden zentraler Versammlungsort für Geselligkeit und Festlichkeit, aber auch angestammter Gerichtsort. – Deutschlands älteste Linde steht bei mir hier ganz in der Nähe in dem Ort Schenklengsfeld (Osthessen) unweit von Bad Hersfeld, ein sehr beeindruckender, über 1000 Jahre alter Baum auf vier Stämmen aus einer gemeinsamen Wurzel.
 

Linde Schenklengsfeld.jpg
1000jährige Linde in Schenklengsfeld

Hab Dank für deine interessanten Sichten und Ergänzungen.
Herzliche Grüße sendet Dir zum fröhlichen Maibeginn
Syrdal

Roxanna

Gott sei Dank, lieber Syrdal waren es freundliche Hexen, die sich nur einen Spaß erlaubt haben und Paul Holfeld hatte ja auch seinen Spaß dabei. Da hört man schon auch immer wieder von bösen Hexen, die den Menschen alles mögliche antun.  Man denke nur an die in Hänsel und Gretel, aber mit ihr hat es ja böse geendet.

Mit lieben Grüßen wünsche ich dir einen schönen 1. Mai-Feiertag

Brigitte

Allerlei 104.JPG

 

Syrdal

@Roxanna

Liebe Brigitte,
alleine schon der Begriff „Hexe“ ist landläufig mit allerlei scheußlichen Negativismen besetzt. Umso angenehmer ist es, auch einmal von Hexen zu erfahren, die sich mit zünftigen Hexerichen unter einer alten Linde fröhlich im Tanz in den Wonnemonat Mai vergnügen und allem Bösen völlig abhold sind. Lediglich einer „verhexten Täuschung“ haben sie sich bedient, um sich von einem eher zufällig des Weges kommenden Musikus aufspielen zu lassen und diesen dann um seinen verdienten Lohn prellen. Aber am Walpurgisabend sei es verziehen…

...meint mit Dank für dein passendes „Hexenbild“ und heiter-hexischem Schmunzeln
Syrdal
 


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